Auslandssemester in der Westschweiz – der Sprung ins kalte Wasser Stellt euch vor, ihr sitzt in einem Klassenzimmer an einem fremden Ort, versteht nichts und kennt niemanden. Hört sich nicht so schön an, aber genauso ist es mir am ersten Schultag meines Auslandssemesters in der Westschweiz, genauer gesagt in Bulle, ergangen. Severin Quaderer Wie bin ich dort gelandet? Die Idee kam, als uns ein Lehrer vom Liechtensteiner Gymnasium von einer Partnerschule in Bulle im Kanton Fribourg, dem «Collège du Sud», erzählt hat. Dort ein halbes Jahr den Unterricht zu besuchen und in einer Gastfamilie zu wohnen, klang zwar angesichts meiner doch nicht gerade überragenden Französischkenntnisse zwar etwas gewagt, trotzdem haben ein Freund und ich beschlossen, es zu versuchen. Ende August packte ich also mehr oder weniger den Inhalt meines ganzen Kleiderschanks, meinen Computer und mein Fahrrad in einen grossen Lieferwagen und liess mich mit gemischten Gefühlen von meinen Eltern nach Bulle chauffieren. Einerseits war ich aufgeregt und bereit, andererseits hatte ich auch etwas Angst und Respekt vor der ganz neuen Situation. Während mein Freund bei einer alleinstehenden Frau untergebracht ist, wurde ich von einer fünfköpfigen Familie mit Kindern im Primarschulalter aufgenommen. Anfänglich fühlte ich mich sehr komisch. Das «sechste Rad am Wagen» zu sein, ist nicht wirklich schön. Ich konnte mich aber sehr schnell einleben und rasch kam ich auch mit den drei Kindern der Familie gut aus. Nur, dass ich gerne Ananas ins Fondue tunke, fanden sie nicht so super – in Fribourg ist Fondue quasi heilig. Mit dem Französisch haperte es anfangs offensichtlich. Klar hatte ich schon vier Jahre Französisch in der Schule und die grundlegenden Vokabeln waren schon in meinem Wortschatz, aber trotzdem war die Kommunikation mit den Familienmitgliedern anfänglich sehr schwierig. Mittlerweile klappt es mit der Kommunikation recht gut und das Wochenende ist meist gefüllt mit Aktivitäten, wie z.B. dem Besuch der Gruyère Käserei. Vor dem ersten Schultag hatte ich am meisten Angst. Eine neue Klasse, niemanden den ich kenne, unbekannte Lehrer und dann das Ganze noch auf Französisch! Die ersten Wochen in der Schule waren auch sehr schwierig und hart. Ich konnte weder mit den Klassenkammeraden noch mit den Lehrerinnen und Lehrer wirklich kommunizieren und so fiel es mir logischerweise auch schwer, mit dem Schulstoff mitzukommen. Bereits nach zwei, drei Wochen konnte ich mich mit ein paar Leuten aus der Klasse anfreunden und auch meinranzösisch wurde besser. So wie bei uns die fremdsprachigen Schülerinnen und Schüler denAZ (Deutsch als Zweitsprache) -Unterricht besuchen, habe ich in Bulle Extralektionen mit neun anderen ausländischen Schülerinnen und Schüler, die ebenfalls neu in der Schule sind. Darunter sind neben mir und meinem Liechtensteiner Kollegen auch Schüler aus Basel, Schweden, Kanada oder der Ukraine. Ich kann mir jetzt besser vorstellen, wie sich Ausländerinnen und Ausländer bei uns fühlen müssen. Schon nach kurzer Zeit wurden mir auch neue Vokabeln von meinen Mitschülern beigebracht, hauptsächlich Schimpfwörter natürlich. Dabei kann ich verraten, dass das mit Abstand am meisten genutzte Schimpfwort (bei den Jungen) «Putin» ist, was eigentlich so viel bedeutet wie «Hure». Es wird aber eher als «Scheisse» benutzt. Was die Westschweizer auch recht lustig finden, ist, sich über unser kleines Land lustig zu machen. Von Kokainhandel über Liechtenstein (da wir keine Grenzen zur Schweiz haben) bis zu einer Militärinvasion von der Schweiz (da wir kein Militär haben) habe ich schon alles gehört. Durch meinen Aufenthalt in Bulle habe ich aber auch schon einige Sachen schätzen gelernt, die für mich eigentlich «normal» waren. Zum Beispiel dürfen die Lehrer am Gymnasium in Vaduz maximal drei Prüfungen pro Woche ansetzen, was für die meisten Schülerinnen und Schüler und auch für mich eigentlich schon viel zu viel ist. In Bulle jedoch gibt es gar keine Obergrenze. Wir hatten also auch schon sechs Prüfungen in Woche. Diese natürlich auf Französisch, was es für mich nicht einfacher macht. Die Lehrer sprechen sich wirklich null ab und so machen alle die Prüfungen in der gleichen Woche. Auch der Stundenplan ist anders. In Bulle habe ich kürzere Mittagspausen und keinen einzigen Nachmittag frei, dafür fängt die Schule erst um 8.15 Uhr an. Ob das mit dem Auslandssemester eine gute Idee war? Grundsätzlich ist es eine super tolle Erfahrung für mich. Ich habe schon so viele neue, nette Leute kennen gelernt und hab durch das Ganze auch schon sehr viel Selbstvertrauen gewonnen. Aber natürlich gibt es auch Momente, an denen ich lieber daheim wäre und ich es schon etwas bereue. Insgesamt aber, kann ich ein Auslandssemester oder sogar ein Jahr jedem und jeder empfehlen, auch wenn es, ohne zu lügen, auch manchmal hart sein kann. [Zeige eine Slideshow] Du willst auch im Ausland zur Schule? Mehr zum Thema studieren im Ausland Weitere ArtikelRückblick next-step 2024WeiterbildungsgutscheineBildung für alle!Projekte rocken: Skills für Deine Zukunft!AnlaufstellenNotfallhandzeichen Zuletzt aktualisiert: 09/2023